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Heimatverein Philippsburg e. V.

Gegründet 1924

Das Philippsburger Festungsmodell

Vorgeschichte und Entstehung

Große Festungsbaumeister: Die Franzosen

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts waren es vor allem die Franzosen, welche die Entwicklung der Festungsbaukunst vorantrieben. Die (teilweise durch Holzpalisaden verstärkten) Wälle erhielten Fronten aus Mauerwerk, was die Widerstandsfähigkeit gegen Beschuss und natürliche Einwirkungen verbesserte. Auch die dem eigentlichen Festungskern, dem "Corps de Place"

vorgelagerten Verteidigungsanlagen wurden immer weiter verfeinert und verbessert. Der bekannteste Baumeister dieser Epoche war der französische Ingenieur und Marschall Sebastién Le Prestre de Vauban, der von Ludwig XIV. den Auftrag erhielt, die Ostgrenze seines Reiches von Luxemburg bis zu den Vogesen zu sichern. 

Modelle für den Generalstab

Die französische Militärtechnik war zu jener Zeit wohl die modernste Europas, und es verwundert daher nicht, dass die Führung auf alle technischen Mittel zurückgriff, die damals zur Verfügung standen. 1668 befahl Ludwig XIV. auf Vorschlag seines Kriegsministers Louvois die Anfertigung von maßstabsgetreuen Modellen aller französischen Festungsanlagen. Diese »Plan-reliefs« hatten bis auf wenige Ausnahmen einen einheitlichen Maßstab von 1:600. Damit konnten der König und seine Generäle viele Entscheidungen über Planung und bauliche Ausführung von Paris aus treffen, statt wie früher langwierige Reisen in die Provinz unternehmen zu müssen. 1697 war der Bestand auf 141 Modelle angewachsen. 1776 erhielt die Sammlung einen neuen Unterbringungsort im »Hôtel des Invalides«, wo sie sich noch heute befindet.

Nach der Niederlage Napoleons begannen die Preußen 1815 damit, die Modelle nach Berlin zu holen, stellten die Aktion aber nach einer Intervention des russischen Zaren wieder ein. Diejenigen Exponate, die den Transport überstanden hatten, wurden im Zeughaus untergebracht, wo sie 1944 bei der Bombardierung Berlins verbrannten. 

Die in Paris verbliebenen Stücke wurden ab 1825 restauriert, teilweise wurde, was verloren gegangenen war, durch Nachbauten ersetzt. Mit der Zeit wurden sie durch den Wandel der kriegstechnischen Methoden jedoch militärisch wertlos, was ab 1870 zur Zerstörung einiger Modelle führte. 1927 wurde die Sammlung unter Denkmalschutz gestellt.

Auch von der Festung Philippsburg wurde ein solches Modell angefertigt. Das genaue Entstehungsjahr ist unbekannt, da jedoch für die Herstellung umfangreiche Messungen notwendig sind, kann es eigentlich nur in jener Zeit liegen, als Philippsburg in französischem Besitz war. Vergleiche mit anderen Quellen lassen eigentlich nur den Schluss zu, dass es während der zweiten Besetzung von 1688 bis 1697 entstanden sein muss. Glücklicherweise wurde das Modell vom preußischen Abtransport verschont und blieb in Paris, wo es heute zu den ältesten erhalten gebliebenen Stücken gehört.

Der zentrale Teil des Originalmodells von Paris, 1980 fotografiert

Das Modell taucht wieder auf

Der Zustand des Philippsburger Modells ist nicht besonders gut und es wurde offenbar seit langem nicht mehr ausgestellt, sondern in einem Magazin des Museums gelagert. Von seiner Existenz hatten lange Jahre nur wenige Eingeweihte Kenntnis. Um so größer war die Überraschung für die Mitglieder des heimatgeschichtlichen Arbeitskreises »Club Rheingraf von Salm«, als sie 1978 bei einem Besuch in La Rochelle durch Zufall davon erfuhren. Der damalige zweite Vorsitzende und Mitglied des Heimatvereins, Ekkehard Zimmermann, machte sich danach auf den Weg nach Paris, um bei der Besichtigung im Arsenal eine »Reise in die Vergangenheit« zu erleben. Später besuchte eine Delegation von Heimatfreunden und Gemeinderäten das Museum. Nach langen Verhandlungen erreichten sie, dass der zentrale Teil des 5,62 x 4,35 m großen Modells für eine kurze Zeit aufgebaut wurde und fotografiert werden konnte.

Das Pariser Modell - Detailansicht

Die Kopie

Viele Bemühungen der Stadt und des Landes, das Modell in Philippsburg ausstellen zu dürfen, scheiterten, denn zum einen lassen die französischen Gesetze eine Verbringung außerhalb des Landes nicht zu, und außerdem verbot der schlechte Zustand jeglichen Transport. Als Alternative kam also nur die Schaffung einer originalgetreuen Kopie in Frage. Als 1998 durch Vermittlung des damaligen zweiten Vorsitzenden des Heimatvereins, Hugo Wunsch, eine Delegation hoher französischer Offiziere Philippsburg besuchte, versprach General a. D. Lebrun, Mitglied der Ehrenlegion, sich um eine entsprechende Erlaubnis zu bemühen, was auch gelang.

Die Fertigung des Modells nahm mehrere Monate in Anspruch. Anlässlich der 75-Jahrfeier des Heimatvereins am 14. Juli 2000 konnte dann das Werk Bürgermeister Jürgen Schmidt und damit der Stadt übergeben werden.

Das Modell hat eine Größe von ca. 2x4 m und zeigt die zentralen Festungsbauwerke zwischen der Rheinschanze im Norden und den der Stadt vorgelagerten Schanzen im Süden.

Für die Anschaffung der Kopie brachten Stadtverwaltung und Heimatverein den Betrag von insgesamt DM 130.000 auf. Wegen der Bedeutung des Objektes auch für künftige Generationen stimmte der Gemeinderat diesem erheblichen Aufwand zu. Angefertigt wurde die Kopie vom Atelier Michele Martin-Himmler in Viroflay bei Paris. Hierbei führte die wichtigsten Arbeiten der junge Jean-Marc Duval mit sehr viel Hingabe und Einfühlungsvermögen durch. Aus Platzgründen wurde auf die Wiedergabe des kompletten Originals verzichtet – man beschränkte sich auf das Gebiet zwischen Stadt und Rheinschanze, was aber immer noch eine Fläche von 4,25 x 2 m beansprucht. Neben der Originalvorlage des Modells waren weitere Recherchen in Archiven und Museen erforderlich; hier konnten Dieter Haas vom Heimatverein Philippsburg und Georges Duval aus Paris zusätzliche Informationen beschaffen.

Der hohe Detaillierungsgrad der Darstellung lässt es zu, einzelne Häuser zu identifizieren und mit anderen zeitgenössischen Quellen in Verbindung zu bringen. Ebenso sind die einzelnen Straßenzüge und Gassen klar zu erkennen, und man sieht deutlich, dass sich an der Lage von Weiße- und Rote-Tor-Straße seit damals nicht viel verändert hat. Groß war die Festung Philippsburg nicht: Die Ausdehnung des Corps de Place betrug ca. 600m.

 Detailansicht der Kopie

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